„Geras Stoffe und Maschinen hört in aller Welt man rühmen.“ Dieser Reim entstand um die Wende zum 20. Jahrhundert, als Gera zu den wohlhabendsten Städten des Deutschen Kaiserreichs zählte. Grundlage des wirtschaftlichen Erfolgs war die florierende Textilindustrie, deren Anfänge bis ins 13. Jahrhundert zurückreichen. Bereits damals sollen durchreisende Händler Waren aus Gera bis nach Italien und Ostindien exportiert haben.
Um 1570 ließen sich die ersten niederländischen Zeugmacher und Färber, die ihre Heimat aufgrund religiöser Verfolgung verlassen mussten, in Gera nieder. Sie brachten feine Kammgarnstoffe - glatt gesponnenes Garn aus langfaseriger Wolle - in die Stadt. Der niederländische Großkaufmann Nicolaus de Smit machte zudem neue Farbstoffe wie Indigo gebräuchlich und richtete den städtischen Handel auf die Anforderungen des europäischen Marktes aus.
Zum Erfolg des Textilgewerbes trugen mehrere Faktoren bei: eine ausgeprägte Schafzucht samt Wollproduktion, der Mühlgraben als Energiequelle für die Walkmühle sowie die wirtschaftspolitische Förderung durch die Landesherren. Auf dem Höhepunkt der Textilproduktion waren um 1890 in Gera und Greiz rund 20.000 Webmaschinen im Einsatz. Die in Gera ansässigen Unternehmen kannten die wichtigen Modetrends.
Neben Musselinen, Rips und Satin wurden bevorzugt Wollstoffe hergestellt, die unter anderem als Tücher, Schals, Damenoberbekleidung, Arbeitskleidung, Unterwäsche, Möbelstoffe und Tapisserien Verwendung fanden. Zu den bevorzugten Motiven zählen Paisley- und Rosenmuster, Streublumen, Streifen, Karos, Chinoiserien sowie kleinere geometrische Elemente. England, die USA, Griechenland und die Türkei, aber auch die skandinavischen Länder gehörten zu den Hauptabnehmern.
Auch in der Zeit der DDR blieb die Textilindustrie ein bedeutender Wirtschaftszweig der Stadt, und noch heute entstehen hier Gewebe für den internationalen Markt.
Da wundert es nicht, dass die Stadt eine umfangreiche Sammlung an Stoffmusterbüchern, Musterkarten, Farbrezepten und Holzmodeln verschiedener Firmen bewahrt. Sie dokumentieren Stoffarten, Muster und Techniken ebenso wie Auftraggeber und Exportmärkte.
In der Ausstellung entfaltet sich die Kunst der Textilgestaltung in vielen Facetten: vom Zeugdruck, über die Schaft- und Jacquardweberei bis zum Ätz-, Rouleaux- und Thermodruck. Ergänzt durch detailreiche Entwurfszeichnungen, wird der schöpferische Weg von der Idee bis zum vollendeten Stoff erlebbar.
Präsentiert werden unter anderem Stoffmuster und Chroniken der Firmen Hirsch, Fürbringer, Morand & Co., Schulenburg & Bessler, des VEB Modedruck, der MD Gera GmbH sowie der Getzner Textil AG. Zudem sind zahlreiche aus den Stoffen gefertigte Modelle zu besichtigen.