Im Museum für Angewandte Kunst lassen anlässlich des 40. Jubiläums Mode, Möbel, Alltagsgegenstände und Fotografien bis hin zu Gebrauchsgrafik und Keramik den Zeitgeist des 20. Jahrhunderts aufleben. Die Spanne reicht vom dekorativen, glamourösen Stil des Art déco bis zum modernen Design des Bauhauses und der funktionalen Formgestaltung von DDR-Produkten.
Am 6. Oktober 1984 wurde in der Greizer Straße 37-39 in Gera feierlich das Museum für Kunsthandwerk eröffnet. Mit der Neugründung sollte zum einen das neu errichtete Wohnquartier in der Nachbarschaft kulturell aufgewertet werden. Zum anderen wollte man das Gebäude aus dem 18. Jahrhundert, benannt nach einem seiner Vorbesitzer, dem Mäzen Dr. Moritz Rudolph Ferber öffentlich zugänglich machen. Dem Museum lag die Idee zugrunde, die Produkte des Thüringer Kunsthandwerks zu sammeln, zu bewahren und auszustellen. Zunächst waren es die barocke ehemalige Wohnanlage mit ihren Deckengemälden und reichen Stuckverzierungen selbst sowie aus dem Stadtmuseum ausgegliederte Porzellan-, Zinn- und Glasarbeiten, die zur Betrachtung einluden. Mit der zweiten Sonderausstellung Kunst um 1900 wurden rückblickend die Weichen für die Entwicklung eines richtungsweisenden Sammlungsprofils gestellt. Das 20. Jahrhundert rückte in den Fokus. Schon in den 1980er-Jahren zählte zudem die DDR-Gebrauchsgrafik zu einem Schwerpunkt. Das Ende der DDR stellte auch das Museum vor neue Herausforderungen. Innerhalb kürzester Zeit wurde Alltag historisch. Bürgerinnen und Bürger stifteten viele Objekte aus dem Bereich der Verpackungsgestaltung und der Alltagskultur.
Die Grenze zwischen Kunst und Design ist oft fließend, industriell hergestellte Serienprodukte und handwerkliche Unikate stehen sich gleichberechtigt gegenüber. Sie alle erzählen Geschichten – von repräsentativer Tischkultur, künstlerischen und technischen Formen bis zum Beginn des Massenkonsums, der ausgelöst wurde durch die Erfindung neuer Werkstoffe wie Bakelit oder Polystyrol. In der Ausstellung lässt sich am Kabinettschrank von René Prou die Schönheit der von Hand gefertigten Intarsien bewundern. Eine Blechdose der Bahlsen-Keksfabrik zeugt hingegen davon, wie Kunstschaffende zunehmend für große Firmen tätig waren und deren Erscheinungsbild prägten. Marcel Breuers Satztische aus Stahl und Theodor Boglers Kombinationsteekannen sind Ikonen der modernen Gestaltung des Bauhauses. Auch Aenne Biermanns Fotografien zeugen vom Fortschritt mit ihrer vertraut-sachlichen Darstellung der Dinge. „Mitropa“-Geschirr und der Blumengießer von Klaus Kunis stehen wiederum als Zeichen für die gesellschaftlichen Verhältnisse in der DDR genauso wie für die gestalterisch-künstlerischen Qualitäten der Entwerfenden.
Über allem stehen in der Ausstellung dabei die Fragen: Was wollen wir kollektiv erinnern? Was sammeln und bewahren? Welche Bedeutung haben die Objekte für den Einzelnen und für die Gemeinschaft?
Foto: Heiner Hans Körting, Drehkopfeulen, 1960er-Jahre (Fotograf: Alexander Burzik)